21. Juni 2015 00:00
USA, Neuseeland, Australien. Viele junge Erwachsene zieht es nach dem Abitur ins Ausland. Auch Kamil Kuklis hat die InternationalitĂ€t gesucht â und in der Heimat seines Vaters gefunden.
Von Jan Kawelke, Sonja Lelittka
Ein Sandstrand am Ufer der Weichsel im Schatten des Nationalstadions. GĂŒterwagons rattern ĂŒber eine BrĂŒcke. Studenten kĂŒhlen Tyskie Flaschen im Wasser. Kamil Kuklis kauert auf einem Stein. Ein Jahr ist vergangen, seit er das Ruhrgebiet gegen die polnische Hauptstadt tauschte.
Ziellos steckte Kamil nach Bachelor-Abschluss zwischen Essen und Bochum fest. In einer sechs Jahre dauernden Beziehung zwischen âHörsaal und Youtube-Videosâ. SchlieĂlich ĂŒberzeugte ihn sein Vater fĂŒr das Studium in dessen alte Heimat zu gehen. âVielleicht war das mein GlĂŒck fĂŒrs Lebenâ, sagt Kamil. Im Schneidersitz hockt er am Ufer der Weichsel â sein Lieblingsplatz. âJetzt nach Polen habe ich das GefĂŒhl, die ganze Welt steht mir offen.â
Was fĂŒr ein KleidungsstĂŒck seine Persönlichkeit am besten beschreibt? "Damals wĂ€r ich ein paar Vans gewesen, lĂ€ssige Skateschuhe.â Er denkt nach. Blickt auf seine abgewetzten Turnschuhe. âHeute, denke ich, wĂ€re ich lieber eine Uhr. Soll bedeuten, meine Zeit ist jetzt und ich bin hier, um sie zu nutzen.â Kamil komprimiert seinen persönlichen Wandel durch Warschau auf diesen einen Satz. Raus aus den alten Tretern, dem Trab, dem Trott.
:: Ăberflieger-UniversitĂ€t ::
Die Kozminski UniversitĂ€t stĂŒtzt diese Wahrnehmung seines persönlichen Wandels. Austauschprogramme rund um den Globus, DoppelabschlĂŒsse und eine Dreifach-Akkreditierung polieren jeden Lebenslauf auf Hochglanz. Platz 41 im Financial Times Ranking, Platz eins im Ranking polnischer Privat-Unis: Wer an der Kozminski abschlieĂt, schreibt seinen Namen schon bald in einen vielversprechenden Vertrag eines Global Players. Die rund 2000 Euro pro Semester treibt der zweisprachig aufgewachsene Kamil mit verschiedenen Jobs auf. âAm besten ist der Playstation-Job. Ich muss checken, ob die Ăbersetzung bei den Spielen stimmt.â Auch seine Eltern greifen ihm hier und da mit ein paar Zloty unter die Arme. âAnsonsten ist es aber so, dass die Lebenshaltungskosten sehr niedrig sind. Essen und Wohnen ist um einiges gĂŒnstiger als zum Beispiel in Hamburg.â Mit der deftigen KĂŒche hatte sich Kamil schnell arrangiert und natĂŒrlich verursachte auch die Sprache bei ihm keinerlei Bauchschmerzen. "Wobei hier in Warschau sind die Leute sehr international. Ich rede eigentlich fast nur auf Englisch."
Immer wieder holt Kamil sein Smartphone aus der Hosentasche, wischt durch die gesammelten Lebensschnipsel der letzten Monate. Der Zeitraffer zeigt Selfies. Arm in Arm, breit lachend, international. Die Display-Diashow wirkt wie die Werbebilder der UniversitĂ€t, die immer darauf bedacht sind, möglichst alle ethnischen Gruppen grinsend abzubilden. âWir sind nur kurze Zeit hier zusammen. Aber wir sind Freunde gewordenâ, sagt Kamil und streicht das Foto weiter. âBald wird jeder seinen Weg gehen, aber die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit wird bleiben.â
:: Untergrund AktivitÀt ::
Kamil studiert die StraĂenbahnkarten, navigiert sich durch das Warschauer Schienennetz. Vom Strand geht es durch die Stadt ins Zentrum. Stare Miasto. Mitten auf dem backsteinumbauten Platz ragt ein bronzener König in den dĂ€mmernden Himmel. Sigismund steht, stur das Schwert gezĂŒckt auf seiner SĂ€ule. Ein Sinnbild fĂŒr den trotzigen Wiederaufbau Warschaus. Denn genau dort, wo der König 1944 in die TrĂŒmmer fiel, richtete das Volk ihn fĂŒnf Jahre spĂ€ter wieder auf. âAlte PlĂ€ne, alte Steine, alles wurde wieder genau so aufgebaut, wie es vor dem Krieg warâ, erzĂ€hlt Kamil, dessen GroĂvater im Warschauer Aufstand gegen die Nazis kĂ€mpfte. Kamil, heute so alt, wie sein Opa damals, findet dessen Geschichten in der Stadt wieder. Folgt ihm um die StraĂenecken mit den Einschusslöchern bis hinab in den wortwörtlichen Warschauer Untergrund. Powstanie Waszawskie, der Wiederstand gegen die Nazis, nutzte das Tunnelsystem, um die Stadt zu verteidigen. Kamil deutet auf einen Kanaldeckel auf einer Kreuzung. âHier sind sie runtergestiegen und konnten sich so unbemerkt durch die Stadt bewegen.â
:: Unternehmungsgeist belebt ::
Geschichtslektionen im Selbststudium, Wirtschaftsstoff an der UniversitĂ€t. "Suche etwas, das fehlt und mach es." Kamil rezitiert das Marketing-Mantra aus den Entrepreneurship-Vorlesungen. Die goldene Regel begleitet ihn durch den Alltag. Kamil ist immer auf der Jagd nach dem ânext big thingâ. Er sucht zwischen den HĂ€userschluchten der neuen StahlgebĂ€ude, im Szenelokal und auch jetzt in seiner Stammkneipe. âWie wĂ€re es, die Glasfront gegen eine SchiebetĂŒr auszutauschenâ, sagt Kamil und wischt seine Fenstervorstellung durch den Raum. âIm Sommer sitzt man halb drinnen, halb drauĂen, guckt FuĂball, trinkt Bier.â Kamil kann sich vorstellen zu bleiben. Am Studentenstrand am Stadion, in der kleinen Eckkneipe, den FuĂspuren seiner Vorfahren folgend. In der neuen alten Heimat.
Dieser Beitrag wurde bislang nicht kommentiert.
Hier ist es
InfoBox
Die Kozminski UniversitÀt bietet die zwei StudiengÀnge "Management" und "Finance and Accounting" jeweils im Bachelor und im Master an.
Bei Management kann man sich auf Entrepreneurship, Marketing oder International Management spezialisieren.
Bei Finance and Accounting kann man zwischen Corporate Finance, Corporate Reporting and Accounting und International Banking Anti-Money Laundering wÀhlen.
Die Kozminski hat ĂŒber 200 Partner UniversitĂ€ten in der ganzen Welt. So sind Auslandssemester von Hongkong bis Lissabon möglich.
An der UniversitĂ€t studieren ĂŒber 60 verschiedene NationalitĂ€ten.
Studenten am Strand sitzen im Zug
Sigismund auf seiner SĂ€ule - hat schon Schlimmeres erlebt als schlechtes Wetter
Kamil Kuklis (blau) und Kommilitone Henning BrĂŒggemann (auch blau) vor dem Kultur Palast
Auf die Metro konnte der Warschauer Untergrund nicht setzen
Schöne StraĂenbahnen fahren auf schnöder Beschienung zum Topf voll Gold
Kamil Kuklis packte die Gelegenheit beim Schopf und gönnte sich einen neuen Haarschnitt
Wappentier vor Haupteingang. Fun-Fact: Der Löwe liegt auf Russland