16. Januar 2012  18:35

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KINOR-Konzert in der flora

Weltreise mit "exotischen" Instrumenten

Musik und Tanz aus Israel, Arabien, Afrika, Brasilien, der Türkei, Griechenland und China - aufgeführt von zwei ukrainischen und zwei deutschen Künstlern: Dies und noch mehr war das Programm des Konzerts am Sonntag im Kulturzentrum "die flora" in der Altstadt. Es stand unter der Überschrift "Klänge der Vielfalt".

Von Maximilian Wiescher

Der jüdische Kulturverein KINOR veranstaltete das Konzert. Passend zu diesem althebräischen Namen, der ursprünglich "Davids Harfe" bedeutete, beginnt der Ukrainer Andronik Yegiazaryan das Programm: Auf genau so einem Instrument spielt er eine Psalm-Meditation, die schon seit dem 5. Jahrhundert vor Christus bekannt ist.

Yegiazaryan wechselt danach zur Flöte und beginnt ein Lied der Sepharden, der früheren jüdischen Bewohner der iberischen Halbinsel. Jonas Nondorf setzt mit seinem elektrischen Kontrabass ein und kurz darauf beginnt Mariya Kats zu singen. Obwohl die Sprache für die meisten der etwa 60 Zuschauer fremd ist, zieht ihr Gesang sie in seinen Bann - mit wie ohne instrumentale Unterstützung.

:: Anderer Kontinent, anderes Flair ::

Dass die Musiker temperamentvolle Rhythmen genauso beherrschen wie meditative Gesänge, beweisen sie im afrikanischen Teil des Programms: Die beiden Männer treiben mit zwei Djembés (afrikanischen Handtrommeln) den Rhythmus an, während Mariya Kats das Publikum zum Mittanzen und Mitsingen animiert.

Anschließend erklärt der Tänzer und Theaterpädagoge Rolf Gildenast, wie er während seiner Tätigkeit am Musiktheater im Revier andere Kulturen kennen lernte: "Man muss die Sprache nicht können. Man hat zwei Beine und zwei Arme." Dann führt er über einer CD-Einspielung mit afrikanischer Musik einen kenianischen Tier-Tanz auf.

"Den afrikanischen Sklaven folgend", wie Jonas Nondorf es beschreibt, geht die Reise weiter nach Brasilien - und damit zu der Musik, für die das Land berühmt ist: zum Bossa Nova. Der berühmte Bossa-Nova-Standard "Girl From Ipanema" erklingt in der geradezu minimalistischen Besetzung mit Gitarre, Percussion und Mariya Kats' beeindruckender Gesangsstimme, die den Zuhörern lange in guter Erinnerung bleiben kann. Die Interpretation steht den modernen Versionen größerer Bands in nichts nach.

Vor der Pause nimmt die nächste Tanz-Darbietung von Rolf Gildenast das Publikum mit nach Russland. Auch er lässt es mitmachen, jedoch nicht ohne einige Erklärungen vorweg: "Russland ist ein riesiges Land. Da kann man auf hunderttausend Arten tanzen. Es gibt Tänzer, die tanzen nur auf den Knien. Die können hochspringen, sich zweimal in der Luft drehen und dann wieder auf den Knien landen. Aber weil die Krankenkassen das hier nicht anerkennen, bringe ich Ihnen etwas Leichteres bei."

:: Mediterran geht es weiter ::

Statt das Ende der Pause anzusagen, beginnt Yegiazaryan, das nächste Stück auf dem Klavier zu spielen. Während Nondorf mit einer Oud (einem arabischen Zupfinstrument) einsetzt, kehren die Zuschauer zu ihren Plätzen zurück. Spätestens als Kats' Gesang, scheinbar aus dem Nichts kommend, einsetzt, gehört die ganze Aufmerksamkeit wieder der Bühne. Bei dem Stück handelt es sich um eine meditative Eigenkomposition von Jonas Nondorf, die, wie er selbst sagt, "keiner Kultur zugeordnet werden kann".

In der zweiten Hälfte des Konzerts dominieren die Instrumente der Lauten-Familie: die arabische Oud, die türkische Saz und die griechische Bouzouki. Kats singt, begleitet von Saz und Darabouka, Üsküdara gideriken - "das bekannteste Lied aller Zeiten in der Türkei" (Foto oben).

:: Rolf Gildenast präsentiert Neuseeland und China ::

Für ein komplett exotisches Flair sorgt Rolf Gildenast mit einem neuseeländischen Maori-Tanz, mit dem er die Bühne zum Beben brachte: Nicht ohne die stilechten Zwischenschreie demonstriert er eindrucksvoll, wie die Neuseeländer ihre Rugby-Mannschaft anfeuerten, die letztes Jahr Weltmeister wurde. "Ich denke, wenn das auf Neuseeland funktioniert, warum soll das auf Schalke nicht funktionieren?", fragt er und motiviert das Publikum, den Tanz auch auszuprobieren und dabei die Zwischenschreie durch "Schalke"-Rufe zu ersetzen.

Den anschließenden chinesischen Glücksdrachentanz erklärt er so: "Die chinesischen Drachen bringen Glück, die deutschen nicht. Deshalb hat sie der damalige Bundeskanzler Siegfried auch alle umgebracht." Dass er bei diesem Tanz gegen einen Deckenscheinwerfer stößt, kommentiert er mit der gelassenen Feststellung: "Die Vielfalt der Kulturen braucht eben Platz."

Das Konzert schließt mit einer groovenden Interpretation des Liedes "Bei mir bist du schön" aus dem englisch-jiddischen Broadway-Musical "Man könnte leben, aber sie lassen uns nicht".

Es ist ein Konzert, bei dem die Musiker das Publikum mit temperamentvollen Darbietungen genauso begeistern wie mit meditativen Parts. Die Musikstücke und Instrumente aus der ganzen Welt versprechen ein bis zum Ende spannendes Programm.



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InfoBox

Bei diesem Konzert trat Mariya Kats zum ersten Mal zusammen mit Jonas Nondorf und Andronik Yegiazaryan auf. Sie plant, weiter mit ihnen zusammen zu arbeiten, wenn auch ohne Rolf Gildenast. Folgetermine sind jedoch noch nicht geplant. Weitere Infos auf der Website von Mariya Kats.

Der jüdische Kulturverein KINOR e. V. war zwar, zusammen mit dem Gelsenkirchener Kulturreferat, Organisator des Konzerts, die Musiker gehören jedoch nicht dazu.

Andronik Yegiazaryan mit einer Harfe von der Art, wie sie der biblische David spielte - "Kinor" genannt.

Afrikanische Rhythmen und Gesänge reißen das Publikum mit.

Rolf Gildenast in Aktion

"Lamma baada" (Armenien)

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